Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter. Wie kann man damit umgehen?
Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter ist in der Regel ein schwerer Schicksalsschlag und oft gar ein traumatisches Erlebnis. Da gibt es keine universellen Ratschläge, denn jeder Mensch reagiert darauf anders. Solche Sachen sind tiefst individuell, man kann und sollte sie nicht verallgemeinern. Daher werden wir im folgenden Artikel dieses Thema nicht in einem generalisierenden Licht betrachten, sondern einige wichtigste Probleme besprechen, mit denen erwachsene Söhne und Töchter gestorbener Eltern konfrontieren müssen. Auch der praktische Pflegeaspekt spielt dabei natürlich eine Rolle.
Trauer um die Mutter und Trauer um den Vater
Der gängige Begriff lautet: Waisenkind. Aber nicht nur Kinder sind Waisen. Ein erwachsener Mensch empfindet den Tod eines Elternteils oft genauso intensiv oder sogar schmerzlicher als ein Kind (besonders wenn es um Kleinkinder geht). Der Abschied von einer Person, die uns das ganze Leben lang am Nächsten stand, empfindet man als einen unwiederbringlichen Verlust. Viele „Waisenerwachsene“ verspüren in der ersten Zeit nach dem Verlust ein unglaublich starkes Gefühl der Verwirrung und Schutzlosigkeit. Man fühlt sich so, als wäre man alleine auf der Welt geblieben. Denn im gewissen Sinne stimmt es leider. Natürlich bleiben einem die eigene Familie sowie Freunde und Bekannte, aber derjenige ganz besondere
Ein traurig schönes Lied von Aloe Blacc unter dem Titel Mama Hold My Hand behandelt dieses Thema sehr subtil und auch künstlerisch ganz fein. Der Songwriter fasst das menschliche Leben in drei Abschnitte zusammen:
- zuerst ist man ein wehrloses Kind, das die Mutter darum bittet, ihm die Hand zu geben, damit es die Straße sicher überqueren kann;
- dann wächst man auf und braucht mehr keinerlei Hilfe, führt das eigene Leben;
- später wird die Mutter immer älter und nun ist es der Sohn, der Ihr dabei hilft, durch die Straße zu gehen;
- schließlich ist die Mutter gestorben und der erwachsene Sohn fühlt wieder jene wehrlose kindliche Verlorenheit, er sucht nach der mütterlichen Hand, findet sie aber nicht und sehnt sich nach ihr.
Der Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter, wo die Eltern schon sehr betagt sind – ist fast immer schwer zu bewältigen. Einen seltenen Ausnahmefall bilden Situationen, wo man keine engen Beziehungen zu den Eltern hatte, aber sogar dann können plötzlich bestimmte Schuldgefühle auftreten.
Schuld- und Reuegefühle beim Abschied von den Eltern
Am Ende des vorigen Kapitels haben wir das Problem der Schuldgefühle angesprochen. Der Abschied von den Eltern ist nämlich nicht nur mit dem durchaus nachvollziehbaren Verlustschmerz verbunden, sondern ruft häufig auch anders gefärbte negative Emotionen hervor. Es handelt sich dabei um das Gefühl, man habe dem Vater oder der Mutter nicht genügend Zeit gewidmet, sich dieses oder jenes Mal grob benommen usw. Das Bewusstsein, dass man daran nichts mehr ändern bzw. die begangenen Fehler nicht wiedergutmachen kann, wird oft zum wahren Verhängnis.
Dazu sei allererst gesagt, dass derartige Gedanken zwar in den meisten Fällen unvermeidbar sind (so funktioniert ganz einfach unsere Psyche), aber man darüber doch eine gewisse Kontrolle haben kann. Denn was würden die Eltern selbst zu einem solchen Verhalten sagen? Wären sie darüber glücklich, dass ihr geliebtes Kind sich stets mit Schuldgefühlen plagt? Wohl eher nicht. Außerdem ist es unglücklicherweise immer so, dass man sich mit diejenigen Personen, die man am meisten liebt, auch am häufigsten streitet. Liegt es uns an einem Menschen, so ist es uns nicht einerlei, was er denkt oder tut. Daraus entstehen konsequenterweise Konflikte, die nach dem Tod dieses Menschen belanglos scheinen mögen. Solche Reaktionen sind völlig normal, wenn sie nicht zu depressiven Zuständen führen.
Um aber das Reue- bzw. Schuldgefühl nach dem Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter zu minimieren, könnte man allerdings das Mögliche tun, um bei der betagten Person an ihrem Lebensabend nah zu sein. Neben dieser Nähe sind natürlich andere Aspekte wichtig, wie z.B. entsprechende medizinische Behandlung. Wenn es der Zustand des Menschen und die Verhältnisse erlauben, wäre wohl das Leben in den eigenen vier Wänden für die meisten Eltern am liebsten. Leider ist es nicht immer machbar, sodass manchmal längerer bzw. permanenter Aufenthalt im Pflegeheim die einzige Möglichkeit bietet, den pflegebedürftigen Eltern das Leben zu verlängern bzw. den Alltag komfortabler zu gestalten.
Todeswunsch nach Tod des Partners
Der Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter kann eine tiefe emotionale Leere hinterlassen, selbst wenn man ein eigenständiges Leben führt. Es ist oft ein Moment der Reflexion über die eigene Sterblichkeit und die Bedeutung familiärer Bindungen. Sehr traurig ist auch der Tod des Ehepartners. Der Verlust eines Lebenspartners, besonders wenn es um eine langjährige Ehe geht, ist für viele ältere Menschen ein tiefgreifender Einschnitt. Nicht selten entsteht das unerträglich schmerzhafte Gefühl, das eigene Leben ohne die geliebte Person sei sinnlos geworden. Manche äußern dann sogar den Wunsch, nicht mehr weiterleben zu wollen. Der Todeswunsch nach Tod des Partners ist im Hochalter leider sogar eine ziemlich häufige Situation. Es handelt sich nicht unbedingt darum, dass man sich das Leben nehmen will. Nein, man lebt zwar weiter, aber ohne Lebensfreude und spricht immer wieder darüber, dass man lebensmüde ist.
Für erwachsene Kinder kann dies nicht nur schockierend, sondern auch belastend sein. Auch der Altenpflegerin, die sich um eine solche Person kümmert, fällt es keineswegs leicht, stets dasselbe zu hören, nämlich dass man sterben will. Nichtsdestoweniger ist es wichtig, solche Äußerungen ernst zu nehmen, ohne sie aber vorschnell zu dramatisieren. Hinter dem ausgesprochenen Todeswunsch stecken oft eine tiefe Trauer, Einsamkeit bzw. das Bedürfnis, den eigenen Schmerz mit anderen Menschen zu teilen. Ein offenes, liebe- und verständnisvolles Gespräch kann helfen, diesen Gefühlen Raum zu geben. Man darf daher die Gefühle des Elternteils nicht kleinreden, sondern aktiv zuhören, gemeinsame Erinnerungen zu pflegen usw.
Auch praktische Unterstützung kann behilflich sein. Neue soziale Kontakte oder allgemein aktiver Zeitvertreib kann manchen Menschen einen Halt bieten. In anderen, ernsthaften Depressionsfällen könnte man professionelle therapeutische Hilfe in Betracht ziehen, obschon dies vom individuellen Charakter aufs Engste abhängt.
Wie geht man mit Trauer um? Die richtige Antwort kennen nur Sie!
Der Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter bedeutet, dass es keinen Menschen mehr gibt, der sich an alle Eskapaden unserer Kindheit erinnert, an jede Ereignisse und Taten, die Sie zu der Person gemacht haben, die Sie heute sind. Man findet keinen Zufluchtsort, in dem man sich verstecken und ausatmen kann, wenn die Realität mit all ihrer Wucht zusammenbricht.
Das Alter spielt hier keine wesentliche Rolle. Egal ob mit 17 oder 70 – in dem Moment, wo man den letzten lebenden Elternteil verliert, trennt man sich endgültig von dem sog. „inneren Kind“ (obwohl es einigen Menschen trotzdem gelingt, es zu bewahren). Jedenfalls fühlt man sich, wenigstens für eine Zeitlang, von der Welt gewissermaßen isoliert. Auch das Mitgefühl des Umfelds ist im Fall des Todes eines Elternteils in der Regel weniger als beispielsweise beim Tod des Partners oder der Partnerin bzw. eines anderen, jüngeren Familienmitglieds.
Alle diese Faktoren – zunehmende Isolation, beschleunigter Lebensrhythmus und große Geschäftigkeit der heutigen Welt führen dazu, dass die Menschen weniger sensibel füreinander sind. Daher ist die Unterstützung von Freunden und Kollegen für die Trauernde nicht mehr so spürbar wie früher.
Was ist also in erster Linie wichtig, um unter dieser schweren Last nicht zusammenzubrechen?
- Erstens, sollte man die Tatsache des Verlustes und damit einhergehenden Schmerzens klar erkennen. Der Versuch, die eigenen Gefühle zu verbergen bzw. zähmen, endet normalerweise nicht gut. Dies verlängert nur den Trauerprozess und zerstört den Menschen von innen, ohne von der Außenwelt bemerkt zu werden.
- Denken Sie daran, dass bestimmte Momente bzw. Situationen die unterdrückten Emotionen doch an die Oberfläche bringen können. Gemeint damit sind Geburtsdaten und andere Familienfeiertage, verschiedene Krisensituationen, die man zum ersten Mal ohne Eltern erlebt. Völlig vorbereitet kann man zu solchen Sachen eher nicht sein, aber das vorherige Bewusstsein dessen, was man fühlen wird, ist trotzdem von Bedeutung.
- Das Alter, in dem der Vater oder die Mutter gestorben sind, kann in dem Sinne relevant sein, als dass man nach dem Erreichen dieses Alters, manchmal das Gefühl hat, seine Zeit sei auch gekommen. Dies ist natürlich keineswegs rational begründet, aber es macht die Gedankenlast kaum leichter.
- Erwarten Sie nicht, dass Sie sich an das Leben ohne den geliebten Elternteil „gewöhnen“ werden. Man sagt zwar so, aber weder Forschungen noch individuelle Erfahrungen bestätigen das. Man gewöhnt sich nicht, sondern lernt vielmehr damit umzugehen. Dabei wird die Intensivität des Schmerzes mit dem Lauf der Zeit natürlich nicht so stark wie in den ersten Monaten bzw. Jahren.
- Auch wenn es zuerst als undenkbar vorkommt, geht das Leben sowieso weiter. Nicht mehr wie früher, aber trotzdem muss man sich der neuen Wirklichkeit stellen. Besonders wenn man eigene Kinder hat und für ihre Zukunft bzw. Gegenwart Verantwortung trägt.
Was hilft bei Trauer im Alter um einen geliebten Menschen?
Verzweifelt nach dem Tod eines Elternteils im Erwachsenenalter, stellt man sich oft die Frage: Was hilft bei Trauer im Alter um einen geliebten Menschen? Da muss man ganz ehrlich zugeben, dass es keine einheitliche Antwort gibt. Dem Einen helfen diejenigen Familienangehörigen, die man um sich hat: Ehefrau- oder Mann, Geschwister usw. Andere ziehen es wiederum vor, am sozialen Leben aktiver teilzunehmen und das Verlustgefühl auf diese Weise zu bewältigen. Manchen Menschen helfen gewisse Kunstformen – Musik, Literatur – dabei, diese schwere Zeit zu überstehen. In jedem einzelnen Fall ist es eine private Angelegenheit, sodass man dabei keine Wunderrezepte, die für jeden wirksam sind, ausdenken sollte.
Umgang mit Tod und Sterben in der Pflege
Der Tod einer betagten Person bereitet oft einen Schock nicht nur für ihre Nächsten, sondern auch für diejenige Pflegekraft, die sich um sie kümmert. Zwar gehört der Umgang mit Tod und Sterben in der Pflege zum festen Bestandteil des Pflegealltags, insbesondere im Fall von älteren Patienten. Deshalb sollte eigentlich jede Betreuerin dazu bereit sein, damit zu konfrontieren. Sei es professionelles Personal oder unterstützende Pflegehilfe – dem Sterben eines Menschen beizuwohnen ist immer ein schmerzliches, manchmal gar traumatisches Erlebnis.
Dies sollte man bei der Wahl der Pflegekraft bedenken. Zu den Pflichten einer solchen Betreuerin gehört nämlich, dass sie sich nicht nur um die körperlichen Bedürfnissen kümmern, sondern ihre Patienten auch in den letzten Lebensphasen mit Würde und Mitgefühl begleiten.
Ein sensibler Umgang mit dem Todesthema erfordert Einfühlungsvermögen und Respekt, auch gegenüber dem Leid der Anderen. PflegerInnen stehen vor der keineswegs leichten Herausforderung, den Wunsch der im Sterben liegenden Person nach Autonomie und Privatsphäre zu achten. Gleichzeitig ist es aber enorm wichtig, verstehen zu können, wann dieser Wunsch tatsächlich bewusst auftritt und wann der Mensch zwar dies behauptet, in Wirklichkeit sich jedoch nach Gesellschaft sehnt. Denn einfühlsame Begleitung hat ebenfalls eine sehr große Bedeutung.
Man muss dabei nicht unbedingt an etwas Großes denken. Oft sind es eben die kleinen Gesten – eine liebevolle Berührung, geduldiges Zuhören oder die Erfüllung eines Wunsches (vielleicht des letzten) – die den Unterschied machen. Hauptsache, man fühlt sich nicht verlassen. Für Pflegekräfte, die über lange Zeit hinweg eine enge Bindung zu den betreuten Senioren aufbauen, verläuft dieser Prozess häufig ganz natürlich. Desto belastender wird dann aber der Tod des Pflegebedürftigen.
Auch das Verständnis für die persönlichen und kulturellen Besonderheiten ist bei der Pflege einer ernstkranken oder sterbenden Person sehr relevant. Ein respektvoller Umgang mit religiösen oder familiären Traditionen hilft sowohl den Sterbenden als auch ihren Familienangehörigen, mit dem Abschied besser umzugehen. Pflege bedeutet in solchen Augenblicken nicht nur Hilfe im Alltag, sondern Menschlichkeit in ihrer tiefsten Ausprägung.